Abseits der Wege
Kapitel 3: Wehrlos




Inhalt:
Der Zellentrakt erglühte im Schein der Ölbecken. In den Entwelkungskerkern waren Nacht und Tag in Dunkelheit vergessen, gleich jenen, die hier ihr Dasein fristeten. Gaston stand knöcheltief in uraltem Staub. Von allen Seiten fiel der Hall der Schritte auf ihn herab und purpurnes Flüstern füllte seinen Geist.
Vergangen waren die Tage, als es noch keine Grenzen gab und die Welt im Freien lag und Welkenwerk nur eine Sage.

Story:
Wieder ist einige Zeit ins Land gezogen, bis man das nächste Kapitel von „Abseits der Wege“ in Händen halten konnte. „Wehrlos“ lautet der Titel des neusten Outputs und rein inhaltlich kommt das gesamte Geschehen nun allmählich in Gang. Leider geschieht dies aber auch beim dritten Kapitel nur betont langsam und schon fast zäh. Die erste Hälfte des Hörspiels zieht sich an einigen Stellen doch sehr, denn besonders spannend ist es nicht, wenn man zuhören darf, wie Gaston, Halmir und Dungring mehrere Tage auf Esels unterwegs sind. Hier sind dann auch wieder recht deutliche Parallelen zu Tolkiens „Der Herr der Ringe“ zu bemerken, nur mit dem Unterschied, dass bei Tolkiens „Reitereien“ auch stets etwas passiert. Hier ist dies leider nicht wirklich der Fall. Erst wenn die Jungen in die Fänge der purpurnen Prüfer fallen kommen Dramatik und somit auch die Spannung rein. Dann geht es aber wirklich Schlag auf Schlag und bis zum Ende fiebert man mit, was noch alles passieren wird. Das Highlight der Folge stellt ohne Frage das Ende dar, das die Marschrichtung für die kommenden Kapitel ebnen dürfte. Vom Prinzip herrscht hier ein ähnliches Problem wie beim letzten Kapitel, denn man lässt sich doch ein wenig zu viel Zeit, bis die Handlung den Hörer so richtig in ihren Bann geschlagen hat. Trotz dieser Kritik muss ich klar sagen, dass rein vom Inhalt „Wehrlos“ das bislang beste Hörspiel der noch jungen Reihe ist. Wenn man es nun noch schaffen würde, die Spannung der letzten Hälfte dieses Hörspiel über die volle Laufzeit zu bieten, dann wäre man endlich an dem Hörspiel der Extraklasse angelangt, das einem die Pressemitteilungen seit der ersten Folge (Unweit) verkaufen wollen.

Sprecher:
Die Cast für dieses Hörspiel ist nicht besonders groß. Die Hauptarbeit lastet ohnehin auf zwei Schultern. Zum einen haben wir da Timmo Niesner, der Gaston Glück spricht und zum anderen Erzähler Heinz Ostermann. Niesner kann hier überzeugen und meistert seine vielen Einsätze mit Bravur. Was natürlich immer ein wenig störend ist, ist die Assoziation die man zwischen Niesners Stimme und Frodo Beutlin zieht. Das drückt eben etwas auf die Eigenständigkeit und wirkt (grade in Kombination mit dem Titel und der Gesamtauslegung der Reihe) zu sehr wie eine Herr-der-Ringe-Kopie. Heinz Ostermann hat auch ein kleines Problem in meinen Ohren und zwar, dass er als Erzähler allzu oft zum Einsatz kommt und somit die Dialog oft auseinander gerissen wirken. Zwei weitere Rollen fallen noch etwas größer aus, nämlich Hannes Maurer als Halmir und Stefan Krause als Dungring. Grade Krause liefert eine tolle Leistung ab und lässt Dungring herrlich einfältig und naiv klingen. Leider ist auch hier die Nähe zu Peter Jacksons Verfilmung von „Der Herr der Ringe“ allgegenwärtig, synchronisierte er doch dort Hobbit Pippin. Man kann es drehen wie man es will: Die Sprecher liefern allesamt gute bis sehr gute Leistungen, aber an einigen Stellen schielt man für meinen Geschmack zu sehr in Richtung Tolkien.

Musik und Effekte:
Wenn auf einer Produktion der Name Volker Sassenberg prangt, so kann man sich in der Regel auf eine technische Umsetzung der Spitzenklasse einstellen. Auch im dritten Kapitel der Reihe „Abseits der Wege“ wird diese These auf sehr eindrucksvolle Weise untermauert. Die Geräuschkulissen wirken schon penibel geplant und man gewinnt den Eindruck, dass selbst ein vermeintliches Hintergrundgeräusch aus einem ganz bestimmten Grund an exakter jener Stelle ertönt, wo es eingesetzt wird. Hier macht Herrn Sassenberg eben so schnell keiner was vor. Was aber den „Rest“ der Produktion völlig in Schatten stellt ist die Musik. Mächtig, pompös und wirklich bewegend geht es hier zur Sache. Oftmals fällt es einem als Hörer schwer zu glauben, dass diese Musik wirklich „nur“ für ein Hörspiel komponiert wurde und bisher nicht in einem Film zu hören war. Grade gegen Ende von „Wehrlos“, wenn der Verweser seinen Auftritt hat, so meint man durch die phantastische Kombination von Musik und Geräuschen, die Szene wirklich bildlich vor sich zu sehen. Dies ist und bleibt der Punkt, in dem „Abseits der Wege“ allen Vorankündigungen absolut gerecht wird.

Fazit:
Mit „Wehrlos“ kann man nochmals einige kleine Kohlen im Feuer nachlegen, doch der Kessel hat hier noch längst nicht seine Höchsttemperatur erreicht. Die Inszenierung dieser Serie ist ganz ohne Frage phänomenal und raubt einem als Hörer stellenweise gar den Atem. Allerdings gibt es dann bei den Sprechern immer noch den einen oder anderen Wehmutstropfen. Die sprechertechnische Nähe zu Jacksons „Der Herr der Ringe“ Verfilmung wirkt an einigen Stellen doch störend und grade der hohe Einsatz der Erzählers sorgt dafür, dass die Story noch einen Ticken behäbiger wirkt. Genau dort liegt auch das Problem verwurzelt, dass diese Produktion sich nicht mit der Höchstwertung schmücken darf. Die Geschichte kommt einfach zu langsam in Fahrt. Zwar hat man sich wieder ein kleines Stück gesteigert, doch der allerletzte Kick fehlt einfach noch. Es müsste gelingen Spannung und Dramatik der zweiten Hälfte über die komplette Spielzeit des Hörspiels zu bieten. Dann wäre die Wertung TOP ohne Frage verdient. Somit reicht es für „Wehrlos“ „nur“ für ein GUT, was angesichts der detailverliebten technischen Umsetzungen des Hörspiels schon etwas schade ist. Es bleibt zu hoffen, dass man sich inhaltlich weiter steigert und auch die Veröffentlichungszahl der Serie erhöht, denn sonst würden sechs Jahre vergehen, bis man das Ende von „Abseits der Wege“ erreicht hat.



lord gösel